Von Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker
Ernst Jünger hat gesagt, daß der Weltgeschichte seit der Französischen Revolution ein deutlicher Linksdrall innewohne. Das ist nur bedingt richtig. Unzweifelhaft ist freilich, daß jene, die nationale bzw. soziale Revolutionen vorantrieben oder Reformen innerhalb eines bestehenden Systems erreichen wollten, die Unterstützung der breiten Masse durch das Versprechen von mehr Freiheit/Selbstbestimmung bzw. Wohlfahrt/materieller Sicherheit für den Einzelnen errangen. Nur wenige Menschen hängen voller Überzeugung an einer Religion oder einem politischen System, den meisten ist ihr Bauch ihr Gott.
In der alten Welt hätte niemand den Satz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ verstanden. Die irdische wie die überirdische Ordnung standen scheinbar unverrückbar fest, der Einzelne hatte ohne große Wahlmöglichkeiten die Forderungen des Stands und der Stellung, in die er hineingeboren wurde, zu erfüllen, sozialer Aufstieg war kaum möglich und Abstieg nahezu ebensowenig. Sogar die Wahl des Ehegatten war durch materielle Notwendigkeiten zu einem guten Teil vorgegeben. Diese Strukturen Schritt für Schritt aufzubrechen und für den einzelnen da und dort ein Stückchen mehr Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zu erkämpfen, danach strebten viele durchaus uneigennützig und aus noblen Motiven. Und während in Europa über viele Jahrhunderte die Freiheiten Stück für Stück ausgeweitet wurden, lockten die Einwanderungsländer in der neuen Welt mit ihren menschenleeren Weiten durch das Versprechen nahezu unbegrenzter Freiheit und Selbstbestimmung gemäß dem Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“ Millionen an Zuwanderern an.
Der Rechte wird zwar festhalten – wie das in dieser Zeitschrift schon des öfteren argumentiert wurde –, daß ein gewisses Maß an Strukturen und Regeln unverzichtbare Voraussetzung für die Entfaltung der persönlichen Freiheit sei, wie die Knochen im menschlichen Körper nur bestimmte Bewegungen zulassen, ohne sie aber gar keine mehr möglich wären, doch haben im konkreten Einzelfall die Vertreter der Emanzipation immer ein leichtes Spiel gegenüber den Kräften der Bewahrung, was die jahrhundertelange Dominanz der im weitesten Sinne Linken (wozu auch die Liberalen zu zählen sind) erklärt. Genau das aber ändert sich jetzt.
Größtmögliche Freiheit und Selbstbestimmung der Einzelnen, Wohlstand für die breite Masse und materielle Sicherheit sind zwar in den Staaten der EU weitgehend verwirklicht, kaum aber in Ländern anderer Kontinente.
Wer die Gleichheitsideologie der Menschenrechte wirklich ernst nimmt, muß daher für ein Offenhalten der Grenzen und Zuwanderungsmöglichkeiten für alle, die sich nach diesen Versprechen sehnen, eintreten. Das funktioniert in den ohnedies überbevölkerten europäischen Staaten jedoch nicht, ohne die materielle Sicherheit derjenigen, (um Frau Merkel zu zitieren) „die schon länger hier leben“ (also den Sozialstaat), zu gefährden. Daher verlieren die Parteien der Linken an Zuspruch.
Zudem wandern viele ein, denen zwar die Aussicht auf materielle Wohlfahrt gefällt, die aber ihre sozialen und religiösen Regeln (Stichwort: Islamisierung) mitbringen und hier im Irrglauben, beides lasse sich vereinbaren, zu implementieren versuchen. Dadurch geraten sie mit der Selbstbestimmung, die bei uns zum Dogma geworden ist, in Konflikt. Die Folge: Immer weniger wählen die Parteien der Linke
Dazu kommen noch die Energiewende und der Kampf gegen den Klimawandel. Es ist zwar unzweifelhaft vernünftig – und zwar ganz unabhängig davon, welche Gründe der Klimawandel letztendlich hat –, Europas Abhängigkeit von Fossilenergieimporten zu reduzieren. Und die Atomenergie, die künftigen Generationen die Lasten für sichere Endlagerstätten aufbürdet, damit die Heutigen ein besseres Leben haben, ist mit einem konservativen Weltbild schon gar nicht vereinbar. Auch machen der durch den gestiegenen Wohlstand ins Unerträgliche angewachsene Autoverkehr und die erdrückenden Touristenmassen in Städten wie Wien durch die sinkenden Flugpreise zwingend neue Regeln nötig. Doch alle diese Maßnahmen, so sinnvoll oder sogar unumgänglich sie auch sein mögen, werden von den Einzelnen als Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit verstanden. Die Folge: Immer weniger Menschen wählen die linken Parteien, die für ebendiese Maßnahmen stehen.
Das Faß zum Überlaufen gebracht haben Dragqueenisierung, Gender-Mainstreaming, LGBTQ+-Propaganda, Wokeness et al. Der (eigentlich großartige) Schriftsteller Steffen Kopetzky schrieb in der „FAZ“ von 24. Februar 2025 ohne jeden Hauch einer Ironie, daß heute „Feminismus, Queerness und Postkolonialismus“ „das Wahre, Schöne und Gute verkörpern“, doch diese Ansicht dürfte kaum mehrheitstauglich sein. Bestehende Regeln nehmen die meisten Menschen als „natürlich“ hin (selbst wenn sie dies keineswegs sind) und sehen diese meist auch nicht als freiheitseinschränkend an, während neue Regeln, die eine moralisch hochaufgeladene, politische mächtige Gruppe mit Druck und Propaganda zu implizieren versucht, sehr wohl als freiheitseinschränkend empfunden werden. Oliver Cromwell hat die Unterstützung der Briten mit dem Versprechen der „Gewissensfreiheit“ gewonnen. Als klar wurde, daß dieses Versprechen keineswegs ernst gemeint war, sondern seine Anhänger erst recht eine Gesinnungsdiktatur aufzurichten versuchten, die sogar jene, die den „Aberglauben der Geburt Christi“ in einer privaten Messe zu feiern wagten, ins Gefängnis warf, war es mit dieser und seiner Herrschaft rasch vorbei. So auch heute: Wer neue Regeln, eine neue Moral zu implementieren versucht, wird scheitern.
Das alles erklärt nun die Wahlerfolge von FPÖ, AfD, Rassemblement National etc., deren Marsch zur politischen Macht aus heutiger Sicht unaufhaltsam ist. Die Unterstützung der breiten Masse an Wählern werden sie aber nur erhalten können, wenn sie auch in Zukunft als Kämpfer für individuelle Freiheit und Selbstbestimmung, als Bewahrer der sozialen Sicherheit und des – so die Hoffnung – wieder steigenden Wohlstands wahrgenommen werden. Schon allein das wird, siehe oben, nur schwer möglich sein – wenn überhaupt.
Die Hoffnungen, die viele echte Rechte aufgrund ihrer weltanschaulichen Überzeugungen hegen, etwa „Masse wieder in Volk zurückzuverwandeln“, „die Gesellschaft wieder zu formieren“ oder der Lehre (und den Regeln) der katholischen Kirche wieder mehr Geltung zu verschaffen, sind hingegen gänzlich Illusion, wenn nicht etwa eine äußere Bedrohung solches notwendig mac